Anbei eine von der PLO-Verhandlungsabteilung am 17. Mai 2018 herausgegebene Stellungnahme zu 70 Jahre andauernder Nakba – dem “Marsch der Rückkehr” und der illegalen Verlegung der US-Botschaft und zu den aktuellen Entwicklungen in Jerusalem und zur Situation im Gaza-Streifen.
Ist es legal, dass die USA Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkennen und ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen?
Nein. Diese Verlegung ist null und nichtig. Sie verstößt gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, einschließlich der Res. 478 und anderer einschläg. UN-Res. sowie gegen das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes. In der UN-Res. 478 heißt es, dass alle Versuche, den Status von Jerusalem zu ändern, null und nichtig sind und ohne rechtliche Wirkung bleiben. Daher untersagt UNSCR 478 allen Staaten, diplomatische Vertretungen in der Stadt Jerusalem zu unterhalten. Dieser Schritt der US-Regierung steht zudem im Widerspruch zu der seit langem bestehenden US-Politik hinsichtlich des Status der Stadt Jerusalem, wie sie in der James-Baker-Verpflichtungserklärung gegenüber den Palästinensern von der Madrider Konferenz 1991 dargelegt und in der Oslo-Vereinbarung als endgültige Statusfrage bekräftigt wurde.
Was bedeutet die US-Botschaftsverlegung?
Dieser Schritt ist ein Schlag gegen internationales Recht, seine Prinzipien und Werte. Durch die Anerkennung Jerusalems als Teil Israels und die Verlegung der US-Botschaft erkennt die USA Israels illegale Annexion Ost-Jerusalems und die Siedlungsunternehmen an. Indem er US-Präsident nach 50 Jahren Besatzung die Realitäten vor Ort anerkennt, setzt er die Bevölkerung Palästinas unter Druck, Israels Apartheidsregime zu akzeptieren. Dieser Schritt behindert die Friedensbemühungen und zeigt sehr deutlich das inkorrekte amerikanische Verständnis der israelischen Besatzung als religiöser Konflikt, der die ohne schon instabile Situation in der Region und auf der ganzen Welt erschüttert sowie verschärft.
Die Einweihung der Botschaft, die sich auf besetztem Gebiet befindet, ähnelt der Einweihung einer illegalen israelischen Siedlung. Tatsächlich sind wir der Ansicht, dass es keinen Unterschied gibt zwischen der verlegten US-Botschaft im besetzten Jerusalem und illegalen israelischen Siedlungen, wie bspw. Beit El, Maale Adumin u.a. Alle Siedlungen sind illegal und sind ein Hindernis für den Frieden.
Darüber hinaus verstößt die Botschaftsverlegung gegen die seit 70 Jahren geltende internationale Praxis und insb. gegen die UN-Res. 478 des UN-Sicherheitsrates, der die Gründung diplomatischer Missionen in der Heiligen Stadt verbietet.
Ungeachtet der Schritte der USA oder Israel sind die Res. 478 und das Völkerrecht sehr klar: Der rechtliche Status von Jerusalem kann und wird sich durch einseitige Aktionen nicht ändern.
Warum hat die USA in Abstimmung mit Israel beschlossen, die US-Botschaft am 14. Mai 2018 nach Jerusalem zu verlegen?
Die Wahl dieses Datums, dem Tag vor dem Jahrestag der NAKBA, am die Palästinenser den Verlust ihrer historischen Heimat im Jahr 1948 betrauern, ist eine Beleidigung und klare Provokation für das palästinensische Volk und all jene, die Jerusalem als heilig erachten, einschließlich vieler Juden, die exklusive Ansprüche Israels auf Jerusalem ablehnen. Damit wird die Übernahme des israelischen Narrativs demonstriert. Insbesondere lehnt Israel seine eigene Rolle bei der Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948 und die fortgesetzte Leugnung der palästinensischen Selbstbestimmung ab. Indem die USA sich dazu entschieden haben, Israel in der Endstatusfrage zur Zukunft Jerusalems zu unterstützen, unterstützen sie zugleich das israelische Narrativ, Jerusalem als eine ausschließlich jüdische Stadt – ohne palästinensische, muslimische oder christliche Geschichte – zu definieren. Es sendet auch eine Botschaft an die Welt, dass „Macht zu Recht führt“ und die Macht des Gesetzes wird durch die Macht des Dschungels ersetzt. Angesichts des seit Jahrzehnten geltenden Völkerrechts und der Länder, die unsere nationalen Rechte unterstützen, einschließlich des Rechts auf unsere souveräne Hauptstadt Ost-Jerusalem, ist dies eine Verspottung.
Warum beteiligen sich Tausende von Palästinenser im besetzten Palästina und innerhalb Israels an den großen Protesten am Eröffnungstag der US-Botschaft in Jerusalem und am NAKBA-Gedenktag?
Das palästinensische Volk protestiert seit Wochen friedlich im Gedenken an die 70 Jahre NAKBA, die in diesem Jahr mit dem illegalen Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem zusammenfallen. Die Botschaft der protestierenden palästinensischen Frauen, Männer und Kinder an Israel und die Welt ist ihre Ablehnung der Demütigung und Unterwerfung unseres Volkes durch Israel und der Erklärung der USA Jerusalem als Hauptstadt Israels sowie die Verlegung der Botschaft in die Stadt. Sie alle schlossen sich den Protesten an, um ihre nationalen Rechte, einschließlich des Rechts auf Rückkehr gem. der UN-Res. 194 der UN-Generalversammlung einzufordern. Sie fordern einen eigenen Staat in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Ferner versuchen sie, ihre starke Ablehnung der amerikanischen und israelischen Diktate and des kolonialen Projektes zum Ausdruck zu bringen, das darauf abzielt, die palästinensische Sache zu liquidieren und die politischen, nationalen und Menschenrecht des palästinensischen Volkes auf ihrem Land zu beseitigen.
Was sind die Gründe für die „Konfrontationen“ zwischen israelischen Besatzungstruppen und palästinensischen Demonstranten in Gaza? Kann Israel seine Verbrechen als „Selbstverteidigung“ rechtfertigen?
Es sind keine Konfrontationen zwischen zwei gleichen Seiten. Israel kann auch nicht seine Verbrechen als sog. Selbstverteidigung rechtfertigen. Tatsächlich zeigt die Situation in Gaza die deutliche Machtasymmetrie zwischen den unbewaffneten Demonstranten und den israelischen Besatzern. Die Palästinenser demonstrieren friedlich im Einklang mit dem Recht, das durch die internationalen Menschenrechtsgesetzte gewährleistet ist, während die israelischen Besatzungstruppen ausgerüstet mit allen Arten von Waffen, Panzern und Bomben, die Protestierenden mit Artilleriebeschuss, Scharfschützenfeuer, scharfer und explosiver Munition, gummiummantelten Metallkugeln und Tränengas überziehen.
Israel verteidigt nicht seine „Grenze“, sondern verteidigt seine Besatzung und tut dies unrechtmäßig. Die Besatzungsmacht Israel hat die Pflicht, die Zivilbevölkerung im Einklang mit humanitärem Völkerrecht, einschließlich der Vierten Genfer Konvention, zu schützen. Außerdem ist es unakzeptabel Besatzer und Besetzte gleichzusetzen. Ebenso ist es undenkbar, wehrlose Frauen, Kinder und Männer sowie bewaffnete Kolonnen und Scharfschützen gleichzusetzen, die unter dem Vorwand die Sicherheit zu schützen, tödliche Kräfte einsetzen und Gräueltaten begehen. Die israelische koloniale Besetzung Palästinas ist die Wurzel der Gewalt und des Terrorismus. Ihr Ende ist der einzige Weg, Frieden und Sicherheit in Palästina, Israel und der ganzen Welt zu erringen.
Kann Israel behaupten, dass palästinensische Demonstranten versuchten, die „Grenze“ zu Israel zu überschreiten?
Tatsächlich ist Israel der einzige Staat der Welt, der seine Grenzen noch nicht definiert hat. Die derzeitige sog. Pufferzone wurde einseitig von Israel geschaffen, was eine faktische Annexion von etwa 16% des besetzten Gaza-Streifens bedeutet.
Israel erlegt dem Zugang der Palästinenser zu Gebieten der sog. Pufferzone Beschränkungen auf. Manchmal sogar durch den Einsatz von scharfer Munition. Internationale Organisationen haben bereits dokumentiert, dass Israel allein zwischen Januar und Mai 2001 insgesamt 19 Zivilisten, darunter sieben Kinder getötet und 252 Menschen, darunter 73 Kinder verletzt hat.
Was ist bei der Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem passiert? Welchen Preis bezahlen die palästinensischen Zivilisten für die Ausübung ihres Rechts, friedlich gegen die israelische Besatzung zu demonstrieren?
Am 14. Mai beging Israel abscheuliche Verbrechen gegen wehrlose palästinensische Demonstranten in Gaza. Diese wurden begleitet von Rechtfertigungen des Einsatzes tödlicher Gewalt, die von israelischen und amerikanischen Anwälten wiederholt und unterstützt wurden, einschließlich der Eröffnungsrede von Jared Kushner, der sagte: „Wir haben von den Protesten des letzten Monats und sogar heute gesehen, diese provozierende Gewalt ist Teil des Problems und kein Teil der Lösung.“
An diesem Tag erschoss Israel gezielt 62 palästinensische Zivilisten, darunter acht Kinder und einen Sanitäter. Kugeln und Granaten verwundeten mehr als 3.180 Palästinenser. Unter ihnen sind Journalisten, Sanitäter, 225 Kinder und 86 Frauen. Seit dem 30. März 2018 tötete Israel 111 Palästinenser im besetzten Palästina: In dieser Zeit wurden laut UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, mehr als 1.000 Kinder durch israelischen Beschuss verletzt. „Viele dieser Verletzungen sind schwer und potentiell lebensbedrohlich, darunter auch einige, die zu Amputationen führen.“ Israelische Besatzungssoldaten erlitten keinen Schaden.
Hierzu die NGO Médecins Sans Frontières (MSF), die einige verwundete Palästinenser in Gaza behandeln ließ: „Dieses Blutbad ist die Fortsetzung der Politik der israelischen Armee in den letzten sieben Wochen: mit scharfer Munition auf Demonstranten schießen, vorausgesetzt, dass jeder, der sich dem Zaun nähert, ein legitimes Ziel ist. Die meisten Verletzten werden zu lebenslangen Verletzungen führen. Die israelische Armee muss ihre unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegen palästinensische Demonstranten einstellen.“
Sind die friedlichen palästinensischen Demonstranten das Problem (wie von einigen beschrieben)?
Das sind sie nicht. Diese Äußerung ist eine Taktik der „Schuldzuweisung“, um Opfer zu nötigen und der Besatzungsmacht zu helfen, sich ihrer politischen und moralischen Verantwortung zu entziehen, die israelische Besatzung Palästinas zu beenden. Zulange wurden Palästinenser aufgefordert zu beweisen, dass sie ihre menschlichen und nationalen Rechte verdienen, dass sie die Anerkennung ihrer Existenz verdienen.
Die PLO hat den Staat Israel vor fast drei Jahrzehnten anerkannt und sich seither dem Völkerrecht, UN-Resolutionen und einem Friedensprozess verpflichtet, der sich zu einem israelischen Kolonisationsprojekt entwickelt hat und alle Friedensbemühungen für eine gerechte und dauerhafte Lösung mit der Vision zweier Staaten verfehlt. Die kürzlich getätigten amerikanischen Schritte machen klar, dass die Palästinenser aufgefordert werden, sich stattdessen mit ihren Besatzern zu normalisieren, indem sie das israelische und amerikanische Diktat akzeptieren, um Israels Expansionsvision das gesamte historische Palästina zu kontrollieren, zu verwirklichen.
Was erwartet Palästina von der internationalen Gemeinschaft?
Die internationale Gemeinschaft, einschließlich die Vereinten Nationen und der Sicherheitsrat, muss ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit und den internationalen Schutz der palästinensischen Bevölkerung gerecht werden. Israel, die Besatzungsmacht, soll für die fortgesetzten und systematischen Verbrechen gegen die Palästinenser und seine eklatanten Verletzungen des Völkerrechts zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso ist dringend erforderlich, dass eine Untersuchungskommission in das besetzte Palästina entsandt wird, die eine transparente und unabhängige Untersuchung der jüngsten Ereignisse in Gaza einleitet und den Internationalen Strafgerichtshof mit einer zügigen Untersuchung der israelischen Verbrechen in Palästina beauftragt. Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft zwischen dem Interesse für Frieden und Stabilität durch Umsetzung des Völkerrechts und dem Niedergang von Extremismus, Kriegen und internationalem Chaos entscheidet.
Wie lautet die Antwort der palästinensischen Führung und was unternimmt sie zur Bekämpfung dieser illegalen Schritte?
Die offizielle Position der Palästinenser hat sich seit Trumps Erklärung zu Jerusalem als Hauptstadt Israels, womit sich die die USA selbst die Führungsrolle im Friedensprozess fortzusetzen, disqualifiziert haben, nicht geändert. Die USA sind kein neutraler Vermittler, sondern ein Gegner. Wir lehnen die US-Entscheidung ab und betrachten die Eröffnung ihrer Botschaft in der Stadt Jerusalem als eine Begräbnisfeier des Friedensprozesses und der Zwei-Staaten-Lösung, um diese durch das Prinzip der Ein-Staaten-Realität mit zwei Systemen, auch Apartheid genannt, zu ersetzen.
Die palästinensische Führung hat beschlossen, ihren Beitritt zu internationalen Organisationen und Verträgen fortzusetzen, zusätzlich zum Verweise der israelischen Siedlungsunternehmen an den Internationalen Strafgerichtshof. Fatou Bensouda ist aufgefordert, das Ermittlungsverfahren umgehend einzuleiten. Die Führung hat auch den Menschenrechtsrat aufgefordert, die Entsendung einer internationalen Kommission zur Untersuchung der israelischen Verbrechen in Gaza zu beschleunigen und den Sicherheitsrat in die Verantwortung zu nehmen, dringenden internationalen Schutz für unser Volk zu gewährleisten.
Zusätzlich hat die Führung rechtliche Schritte eingeleitet, indem sie eine Anfrage an die US-Regierung geschickt hat. Sie wird die illegalen Entscheidungen von Präsident Trump zum Internationalen Gerichtshof bringen.
Wir werden uns weiter für den Widerstand der palästinensischen Bevölkerung einsetzen, die Bemühungen um die nationale Einheit Palästinas stärken, die innere Spaltung beenden und die Standhaftigkeit des palästinensischen Volkes, insb. in und um das besetzte Ost-Jerusalem und den Gaza-Streifen stärken.